Stellungsname des VVN-BDA zum „Marsch aufs Schloss“
Neustadt und Zwickau: Kapitulation vor den Feinden der Demokratie
Als „Marsch aufs Schloss“ wurde die Störung des Neustädter Demokratiefestes auf dem Hambacher Schloss vom 28. Mai über Querdenker-Kanäle auf Telegram angekündigt. Aufgerufen dazu hatten u.a. der Unternehmer Wolfgang Kochanek, der bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen auftritt, der AfD-Kreisverband Neustadt und die „Freien Pfälzer“.
Eine angemeldete Demonstration war nicht erlaubt worden, die Polizei war vor Ort gut aufgestellt und hinderte die dennoch mobilisierten „Weißgekleideten“ zunächst am Zutritt zum Fest. Allerdings nur solange, wie geladene Gäste an der Eröffnung teilnahmen. Kaum hatten diese das Fest verlassen, wurde die rechte Demonstration „spontan“ genehmigt.
Aktive der Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt und des Bündnisses gegen Rechts, deren Stände auf der Schlossterrasse aufgestellt waren, wurden aus einer Menge von 3.000 mit Deutschland- und Reichsbürgerfahnen ausgerüsteten Impfgegner*innen, Verschwörungsideolog*innen und Neonazis – aus deren Reihen antisemitische und holocaustrelativierende Parolen zu hören waren – heraus beleidigt, mit Müll beworfen und mussten auf Drängen der Polizei ihre Stände abbauen, um die Weißgekleideten „nicht zu provozieren“.
Die Gedenkstätte entschied sich deshalb, am zweiten Tag des Festes nicht mehr teilzunehmen und begründete dies gemeinsam mit dem DGB, der zum Trägerkreis gehört, in einer Pressemitteilung. Das Regionale Bündnis gegen Rechts Neustadt bezeichnet das Fest in einer Stellungnahme als gescheitert.
Stadt und Polizei hingegen sprechen in Zusammenhang mit einer rechten Demonstration, aus der Antifaschist*innen bedroht und die Erinnerung an die Opfer von Nazi-Terror und Holocaust als „Provokation“ abgedeckt werden muss, von „gelebter Demokratie“. Das ist eine zynische Verdrehung der Tatsachen.
Statt zu einem Zeichen demokratischer Stärke wurde das Fest in Neustadt zu einem Musterbeispiel der Kapitulation vor den Feinden der Demokratie.
Zu einem ähnlichen Fall kam es in der Stadt Zwickau. Dort hatte die Stadt – endlich wieder nach zwei Jahren – das interkulturelle Fest „Zwikkolör“ geplant und vorbereitet. Dann beanspruchten Querdenker*innen aus dem Umfeld der „freien Sachsen“ kurzfristig den Hauptmarkt, wo das Fest stattfinden sollte, für sich. Den von der Stadt als Ersatz angebotenen Kornmarkt lehnten sie ab und klagten. Das Verwaltungsgericht entschied: Eine Demonstration sei vom Grundgesetz geschützt, eine Fest-Veranstaltung nicht, „Zwikkolör“ musste weichen. Ein fragwürdiges Urteil, ist doch sonst jeder Weihnachtsmarkt oder Rummel Grund für die Änderung von Demonstrationsrouten. Die Stadt sagte das Fest ab, bevor sie Widerspruch gegen das Urteil einlegte und entzog diesem damit selbst die Grundlage.
Vorfälle wie in Neustadt und Zwickau zeugen von skandalöser Verharmlosung rechter Bewegungen durch die Behörden. Polizei, Justiz und Stadtverwaltungen überlassen ihnen den öffentlichen Raum und engen damit gleichzeitig den Bewegungsspielraum für demokratische Kultur und Aktion ein. Wir sind mit allen solidarisch, die sich dieser fatalen Entwicklung entgegenstellen und werden weiter für eine lebendige antifaschistische und demokratische Gesellschaft kämpfen.