Maskenträger als „Scheißefresser“ beleidigt
Was ist beim Demokratiefest passiert? Die Veranstaltung sollte ans Hambacher Fest von 1832 erinnern und das Schloss als „Wiege der Demokratie“ würdigen. Für den Samstag waren neben einem Unterhaltungsprogramm auch Vorträge und Diskussionsangebote vorgesehen. Bereits am späten Vormittag tauchten erste Kleingruppen weiß gekleideter Menschen auf, am Ende waren es Schätzungen zufolge etwa 2500 Leute aus der „Querdenker“-Szene. Sie hatten Trommeln und Trillerpfeifen dabei, mit denen sie zum Beispiel ein Kindertheater übertönten. Ihretwegen wurde dann zunächst der Bus-Shuttle zum Schloss eingestellt und schließlich das Programm abgebrochen. Das Areal wurde gesperrt, Stände im Außenbereich wurden abgebaut.
Haben die Veranstalter kapituliert, weil sie den Dialog mit Andersdenkenden scheuten? Die Schloss-Stiftung sagt in ihrer Analyse: Die große Mehrheit der „Weißhemden“ war an Diskussionen nicht interessiert, sie begnügten sich mit höhnischen Fragen. Beim Fest-Forum zum Thema „Bedrohte Freiheiten“ etwa habe ein weiß gekleideter Mann das Wort ergriffen, zwei Minuten lang einen vorbereiteten Text vorgelesen und dabei Putins Angriffskrieg verteidigt. Anschließend sei der Redner einfach weggegangen – und erst nach dem Protest der Podiumsgäste wieder zurückgekehrt, aber ohne sich der Diskussion zu stellen.
Die Stiftung sagt sinngemäß: Viele „Weißhemden“ haben sich als Extremisten und Verfassungsfeinde enttarnt. Woran macht sie das fest? Zum Beispiel an den Symbolen, die diese Leute präsentiert haben: unter anderem verkehrt herum gezeigte Deutschlandfahnen. Die sind für „Reichsbürger“ ein Zeichen, mit dem sie ihre Verachtung für die Bundesrepublik kundtun. Dazu kommen etwa eine Preußenflagge, eine Reichsflagge, eine weitere schwarz-weiß-rote Fahne und Zeichen der „QAnon“-Bewegung. Deren Anhänger behaupten: Es gebe eine internationale Elite, die Kinder entführe und ermorde, um deren Blut zu trinken.
Haben die „Weißhemden“ nur solche Symbole gezeigt oder derartige Positionen auch ausgesprochen? Die Stiftung berichtet von verschiedenen Auseinandersetzungen, in denen „Weißhemden“ sich antisemitisch äußerten. Am Stand der Neustadter NS-Gedenkstätte etwa warf jemand den Betreuern vor, einen „Schuldkult“ zu betreiben. Ein weiterer Mann behauptete, die Geschichte des Nationalsozialismus werde falsch dargestellt. Einem Nachfahren jüdischer NS-Opfer wurde zugerufen: „So jemand wie Sie gehört nicht zu Deutschland.“ Andere Leute aus der „Querdenker“-Szene behaupteten: Mit ungeimpften Pflegekräften werde so umgegangen wie mit Juden in der NS-Zeit.
Wie haben die „Weißhemden“ auf Befürworter der Corona-Politik reagiert? Die Stiftung berichtet: Maskenträger wurden vielfach beleidigt, zum Beispiel als „Scheißefresser“. Geimpfte wurden als „krank“ geschmäht.
Woher kamen die „Weißhemden“? Längst nicht nur aus der Pfalz. Nach Angaben der Stiftung sind viele Beteiligte auch schon in anderen Regionen bei Demonstrationen gegen die Corona-Politik aufgetreten, haben dort die gleichen Schilder wie in Neustadt gezeigt – etwa bei einer prorussischen Kundgebung in Pforzheim.
Wie hat die Stiftung das Material für ihre Auswertung gesammelt? Sie stützt sich vor allem auf Filme und Bilder, die „Weißhemden“ selbst ins Netz gestellt haben. Sie waren Ausgangspunkt weiterer Recherchen – etwa zur Frage, was die gezeigten Symbole bedeuten sollen.
Wer hat die „Weißhemden“ mobilisiert? Etwa einen Monat vorher hatte ein Neustadter Unternehmer bei einer Demonstration für eine Protestaktion in Einheitskleidung beim Demokratiefest geworben. Allerdings gilt dieser Mann als jemand, der nur einen überschaubaren Personenkreis erreicht. Im weiteren Umkreis haben Corona-Leugner wohl eher online von dem Plan erfahren – zum Beispiel über den Telegram-Kanal „Freie Pfälzer“. Die Stiftung sagt: Von dort kamen auch Vorschläge für Parolen, die „Weißhemden“ dann auf ihre Schilder schrieben.
Welche Konsequenzen zieht die Stiftung? Sie bilanziert: „Zahlreiche Beteiligte haben die Situation und das Auftreten der weiß gekleideten Personen als einschüchternd, bedrohlich sowie aggressiv wahrgenommen.“ So etwas solle sich nicht wiederholen. Also gilt in Zukunft: „Mutwillige Störungen von Veranstaltungen auf dem Schlossgelände werden ebenso wenig geduldet wie Symbole, mit denen die Verachtung gegenüber unserer bundesrepublikanischen Demokratie bekundet wird.“ Konkretere Pläne dazu hat die Stiftung bislang aber noch nicht.